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Door: Fritz Donner | Geplaatst: 06 februari 2008

Donners Brief an Schoeler

Das Original dieses Textes befindet sich im Homöopathie-Archiv des Instituts für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung, Straussweg 17, D-70184 Stuttgart, Deutschland.

Die Reproduktion erfolgte mit freundlicher Genehmigung des Instituts. Eine Weiterverwendung durch Dritte ist nicht gestattet.

Herrn Ritter wunschgemäß zugesandt.

7.11.66

Lieber Herr Schoeler:

Ich habe heute Ihren Brief, meinen Bericht über die Überprüfung und deren totales Fiasko und auch Ihre Äusserungen zu meinem Bericht erhalten. Da die Arbeit von mir zurückgezogen wurde und somit auch Ihre Bemerkungen nicht erscheinen werden, brauche ich auch nicht besonders im einzelnen dazu Stellung nehmen. Andernfalls hätte ich Ihnen erheblich “Saures” geben müssen. Schliesslich war ich doch peinlichst bemüht, alles für die Homöopathie überaus Fatales in meinem Bericht nicht zu bringen. Unseld schrieb mir seiner Zeit zu meiner Arbeit, ich habe ihm mit einem 18-seitigen Brief geantwortet, der ihm möglicherweise zu denken gegeben hat. Schliesslich befindet er sich noch in jener totalen “Dauerhypnose”, in die wir alle von unseren Lehrern versenkt worden sind. Da ich Ritter in einem Telefongespräch von meinem Brief an Unseld Erwähnung getan habe, bat er mich um Kenntnisnahme und dann später noch um die Erlaubnis, Kopien davon anzufertigen, um sie einigen Kollegen – so auch nach Karlsruhe – zu senden. Sie werden diese Kopie wohl dieser Tage erhalten, so dass ich nicht weiter darauf einzugehen brauche.

Immerhin, Unseld schrieb mir, dass er erst nach diesem 18-seitigen Briefe erkannt habe, was mit den kommenden Überprüfungen sowohl der Homöopathie wie auch ihm als Vorsitzendem des Zentralvereins droht. Wie ich Ihnen, lieber Herr Schoeler, bereits am 18.8 schrieb, hatten Sie damals anscheinend die Situation noch nicht so deutlich durchschaut und die mir heute von Ihnen zugegangenen Arbeiten sind mir ziemlich unverständlich. Um was handelt es sich eigentlich?

1939 wurde ich nach Kriegsbeginn von den Beauftragten des Reichsgesundheitsamtes aufgefordert, auch meinerseits an das RGA einen Bericht über die Überprüfung aus meiner Schau heraus zu senden. Der Krieg verhinderte dies. Dann kam 1945 der damalige Präsident des RGA zu mir nach Wannsee persönlich mit Prof. W. Siebert heraus, um mich um einen Bericht zu bitten. Ich habe Zeitmangel vorgegeben. Jetzt nach meiner Zurruhesetzung kann ich dies nicht mehr als Entschuldigung angeben, obgleich ich mehrfach von verschiedenen Stellen (Bundesgesundheitsamt, Pharmakol. Institut der Berliner Universität und anderen Stellen mehr) dazu aufgefordert wurde. Seit 6 Jahre bohre ich nun daran herum, wie man diesen Aufforderungen nachkommen kann. Nach von Heilmeyer ausgelösten Briefwechseln schien es mir doch erforderlich, nicht weiter zu schweigen, sondern in ganz milder Form die in Wunschträumen lebenden homöopathischen Kollegen an Hand meiner Erlebnisse auf die rauhe Wirklichkeit hinzuweisen. Nun, Unseld will dies ja in Frankfurt versuchen… Ausgehen wird die Sache nach meiner nunmehr 40-jährigen Erfahrung mit homöopathischen Ärzten doch wohl so, wie das Hornberger Schiessen!!

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Wie aus meinem Bericht – wohl einwandfrei – hervorgeht, haben die vom Reichsgesundheitsamt zusammen mit Herrn Rabe gemachten 18 monatelangen Untersuchungen zu einem – man darf wohl sagen – totalen Fiasko geführt. Meines Erachtens lag dies nur zu einem gewissen Teile an der Person von Herrn Rabe. Wassily-Kiel, Schilsky-Hamburg, Taube-Halle, Dingfelder-München, Schwarzhaupt-Köln hätten sicher auch eine sehr bittere Suppe auslöffeln müssen und hätten möglicherweise genau so wie Rabe dann erkannt, dass die Homöopathie “so, wie sie sich dieselbe vorstellen”, nicht mit den Realitäten übereinstimmt. Auch Stiegele, den ich ja 3 Jahre lang erlebte, hätte viele Illusionen nicht bestätigen können (war er doch konstant der festen Überzeugung, dass die wirklich wertvollen Leitsymptome bei Hochpotenzprüfungen aufgetreten wären). Nun ja, jeder hat seine Illusionen und befindet sich in einer “Dauerhypnose”, aus der aufzuwachen doch – nach meinen eigenen Erfahrungen – sehr schwer fällt. Rabe ist vorübergehend aufgewacht… als aber nach dem Kriege die Gefahr für ihn vorüber war, da fiel er wieder in seine Träume zurück. – Dass auch Wapler hinsichtlich der Arzneiprüfungen ziemlich wirklichkeitsferne Ideen hatte, war eben zeitbedingt… er hat eben auch geglaubt, was seine Lehrer sagten und was in der Literatur stand.

Er war auch der Meinung, dass man eigentlich in dem homöopathischen Schrifttume nur solche Artikel bringen dürfe, die zeigen.. der Kranke hatte die und die Symptome, er erhielt darauf das passende Mittel… und dann kam der Erfolg… Es war seinerzeit nicht leicht, die Arbeiten von Wesselhoeft in der A.H.Z. zu bringen, Wapler war eben der Meinung, dass die Infektionskrankheiten ein Glanzstück der Homöopathie darstellen und dazu passten nun die wesselhoeftschen Ergebnisse, nach denen der Verlauf mit dem indizierten Mittel bei über 100 Kranken in keiner Weise von den Verläufen bei über 100 Placebopatienten abwich, so gar nicht herein. Ich habe deshalb auch einen späteren Bericht, in dem auch die Schilskyschen negativen Ergebnisse dargestellt wurden, in der deutschen Zeitschrift für Homöopathie gebracht. Und die Arzneiprüfungsberichte auf Grund von 200 ärztlichen Prüfern mit Potenzen in Höhe der D4, D6, D12, bei denen in der ersten Woche – der Placebowoche – so viele Symptome auftraten und dann bei den Arzneieinnahmen in den erwähnten Potenzen eben nichts für das Mittel charakteristisches beobachtet wurde, lehnte er eben für die Publikation ab: Man kann nur Positives bringen, also Prüfungen, bei denen nach den erwähnten tieferen Potenzen eben dann für das geprüfte Mittel sprechende Erscheinungen auftraten, waren für ihn “publikationswürdig”. Nun ja, wenn man die “Propaganda für die Homöopathie” als Hauptzweck der Zeitschriften ansieht, dann ist dies ja durchaus richtig… nur führte es eben letzten Endes dazu, dass die homöopathische Ärzteschaft sich hinsichtlich der Wertigkeit der Arzneiprüfungen und der darauf aufgebauten Arzneibilder in hyperoptimistische Ansichten hineingelebt hat… aus denen es – wie im Falle Rabe – eben ein bitteres Erwachen gab. Und denken Sie nur an die Uneinsichtigkeit der Kollegen, als Martini dasselbe beobachten musste wie ich, nämlich das während der Placeboperioden eben reichlich Symptome auftraten, was damals niemand wahr haben wollte.

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In der Angelegenheit um Martini konnte man so deutlich beobachten, was ich als die “Schizophrenie in der Homöopathie” bezeichnen möchte. Damals in Wiesbaden erklärte ein Wiesbadener homöopathischer Kollege, dass ein Patient mit der Morgenausgabe der Frankfurter Zeitung zu ihm gekommen wäre, auf einen darin gebrachten Artikel über den Martinischen Vortrag hingewiesen und ihm gesagt habe: “Es stimmt wohl in der Homöopathie vieles nicht!”…… Der Kollege verlangte, dass man schärfstens gegen Martini auftreten müsse, denn sonst könnte er seinen Laden zumachen! Als ich sagte, mit Schimpfen würde man nichts erreichen, man müsse eben Martini widerlegen und eine Sepiaprüfung richtig durchführen!, da stutzte er einen Augenblick und meinte dann – zu meiner grossen Überraschung –: Ja, wie soll man den Sepia prüfen, damit etwas positives deutlich herauskommt?… Nun, er sagte dann des weiteren etwa dasselbe, was Rabe einige Wochen vorher zum selben Thema gesagt hatte. Martini hätte mit seinen Ausführungen sicher mehr Durchschlagskraft gehabt, wenn er an Stelle von Diskussionen die Kollegen (Schoeler, Unseld, von Petzinger und Stiegele) jeweils zu einer gemeinsam durchzuführenden Nachprüfung von Sepia aufgefordert hätte. Nun, Herr Schoeler, hätten Sie dabei “sofort das Gesetz des Handelns an sich gerissen und wären Sie der Garant eines Sieges der Homöopathie” geworden? Hand aufs Herz, wie denken Sie heute darüber?

Ich kenne viele Kollegen, die Prüfungen mit Hochpotenzen ablehnen und die so früher erhobenen Symptome ablehnen. In ihrer Praxis wenden sie aber die hochpotenzgeprüften Mittel unter Berücksichtigung der dabei erzielten Symptomatik an und zwar in Tiefpotenzen… und finden dies ganz in Ordnung. Ich will hier nicht weiter darauf eingehen, denn Sie werden sicherlich auch solche Kollegen kennen!

Und wie steht es mit dem, was wir in der homöopathischen Literatur an Erfolgen lesen und vor allem mit dem, was wir – also Schoeler, Donner u.s.w. geschrieben haben?

Einen mir bereits aus meiner Studienzeit bekannten Kollegen, einen aus einer homöopathiefreundlichen Familie stammenden Röntgenologen und Internisten, der sich früher auch eingehend mit Homöopathie befasst und u.a. das Dispensierexamen abgelegt hatte, besuchte ich während seiner längerdauernden Krankheit des öfteren, um mit ihm zu plaudern und ihm mal dieses und jenes Buch zu leihen, so auch den Vida-Deck über Augendiagnose, da der Kollege sich früher auch mit diesem Gebiete befasst hatte. Als ich das Buch wieder abholte, erfuhr ich von ihm, dass gerichtsmedizinische Institute ausgedehnte Nachprüfungen unter Hinzuziehung führender Stuttgarter Augendiagnostiker durchgeführt haben, die vollkommen negativ verlaufen waren. Nun, darüber liest man in der, der Erforschung der Augendiagnose und anderer Aussenseitermethoden ursprünglich gewidmeten “Erfahrungsheilkunde” des K.F. Haug Verlag nichts. Auch dass Dr. Vida an der Heilmeyerschen Klinik mit vollkommen negativen Ergebnissen überprüft worden ist, ist etwas, was man anscheinend nicht gerne bekannt gibt.

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Anschliessend holte der Kollege eine mir vollkommen unbekannte Zeitschrift, von der er vom Verlag eine Probenummer erhalten hatte, und verwies mich auf einen Artikel von H. Schoeler über Thyreotoxikosebehandlung. Er fragte mich, was Herr Schoeler wohl mit diesem Artikel bezwecken wolle? Denn heute behandelt man den Basedow doch am besten mit radioaktivem Jod, was er bei allen Fällen jetzt machen lasse. Früher habe er Thyreostatika gegeben und noch früher entweder operieren oder bestrahlen lassen. Er sprach von früheren eigenen Versuchen mit einer Homöotherapie des Basedows und auch von den doch vollkommen negativen Erfahrungen, die er bei solchen Patienten machen konnte, die auf eigenen Wunsch mit seinem Einverständnis – da er an dem, was dabei herauskommt doch sehr interessiert war – zu H. Rabe, F. Gisevius, V. Bartels und R. Planer gegangen waren, deren Namen damals in Zehlendorf besonders bekannt waren. Er hatte die von Schoeler genannten Mittel zusammengezählt – es war eine überraschend hohe Zahl – und begehrte von mir zu wissen, was nach meinen Erfahrungen dann dabei herauskommen werde, wenn man Basedowfälle so behandle und auch ob man nicht zuviel Zeit mit einer homöopathischen Behandlung vertrödle, bis man dann merke, dass doch nicht viel dabei herauskomme und den Patienten dann zur radioaktiven Jodbehandlung schicke? Nun, ich habe mich nicht dazu geäussert und ihm vorgeschlagen, sich deswegen mit Ihnen ins Benehmen zu setzen. Das lehnte er ab, da nach seiner Meinung dabei gar nichts herauskommen würde; man müsste therapeutische Probleme nicht mit Worten, sondern mit therapeutischen Untersuchungen klären. Er meinte, ob Schoeler wohl, wenn ihn Heilmeyer – ähnlich wie Vida – zu einer Überprüfung der homöopathischen Basedowtherapie auffordere dann auch tatsächlich mitmachen würde und weiteres mehr.

Ich möchte Sie bitten, lieber Herr Schoeler, diese meine Ausführungen nicht etwa als einen “Angriff” aufzufassen, sondern nur darin ein Bemühen zu sehen, Sie mit dem Gedanken vertraut zu machen, dass wir alle uns doch mal die Frage vorlegen sollten, was von all dem, was wir früher – unter der “Dauerhypnose” und induziert durch unsere Lehrer, bekannte Kollegen und das Studium der Literatur – so alles behauptet haben und gesehen haben wollen, wir unter der Drohung, dass wir eventuell zu deren Überprüfungen herangezogen werden können, wirklich aufrecht halten zu können verantworten wollen.

Ich weiss, dass für Leipzig (Schoeler mit Wapler) manches vorgesehen war, so eine Nachprüfung Ihrer Arzneiprüfungen im doppelten Blindversuch, dann – als Sie Martini so forsch attackiert hatten – eine Nachprüfung der von Schoeler kritisierten Martiniprüfungen durch Schoeler selbst u.a.m. Ich weiss nicht, lieber Herr Schoeler, ob Sie noch so vollkommen überzeugt sind wie damals, dass man bei einer richtig durchgeführten Bryoniaprüfung dann auch das bisherige Arzneibild bestätigen kann. Die Ergebnisse von Pirtkien, wie auch die zahlreichen Prüfungen an ca. 200 Ärzten mit mittleren Potenzen, die Donner durchgeführt hat und die negativen Prüfungen von Ferdinand Hoff müssten Ihnen doch zu denken gegeben haben. Natürlich würde das mit sich bringen, dass Sie vieles von dem, wie Sie sich damals vor 30 Jahren die Homöopathie vorstellten,

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eben definitiv abschreiben müssten. Ich selbst habe ja auch viel abgeschrieben – auch auf therapeutischem Gebiete. Dafür nur zwei Beispiele: Früher behandelte ich Asthma nach der von Jousset angegebenen Thérapie du Fond, Eigentlich mit sehr guten Erfolgen, so dass mehr und mehr Asthmapatienten mir von Kollegen, die meine Vorlesungen besucht haben, zugewiesen wurden. Als ich eines Tages der Mutter einer jungen Asthmapatientin das Rezept überreichte, sagte sie: Dasselbe Mittel hat uns unsere Hausärztin auch verordnet, es hat gar nichts genützt. Da ich nicht wusste, was die Kollegin sonst schon gegeben hatte, wollte ich telephonisch näheres von ihr erfahren. Aber sie war verreist. Um die peinliche Situation zu überbrücken, gab ich ein Placebofläschchen ab mit dem Bemerken: Wenn sie auf das von mir verordnete Mittel schon nicht reagiert hat, dann muss man mal was Besonderes zu Anregung der Gesundheitsreaktion geben. Nach 3 Wochen kamen Mutter und Tochter überglücklich mit dem Bemerken, dass die seit Jahren bestehenden und fast täglich auftretenden Asthmaanfälle vollkommen aufgehört hätten (16 Jahre später erfuhr ich, dass der “Heilerfolg” seither angehalten hat). Die Mutter erwähnte, dass Frau Doktor doch recht gehabt hätte, die sie so dringend zu mir verwiesen habe, da ich “der einzige Arzt in Berlin, vielleicht sogar in Deutschland wäre, der Asthma heilen könne”!!!! Ich habe seither bis zu meiner Ausbombung den von jener Kollegin zu mir kommenden Patienten zuerst Placebo gegeben und – soweit mir bekannt geworden – auch “alle geheilt”. Also eine psychische Heilung, ausgelöst durch das dumme Geschwätz der psychisch nicht ganz vollwertigen Kollegin, durch das ich bei diesen Patienten in den Ruf gekommen war, dass meine Kunst viel Künste übersteigt…. Und wie ist es wohl bei Voegeli??? Und bei Wiener-Leipzig! Bei Taube-Weissenfels? Bei Berndt-Göttingen? Dabei dürfen wir aber nicht übersehen, dass z.B. Wapler auch ein grossen Ruf hatte. Er hat, dem Geist der Zeit seiner Studienjahre folgend, eben dann den Erfolg auf das gegebene und gut indizierte Mittel geschoben, was ja Wiener auch tat und Berndt und Voegeli auch!

Meine Versuche mit einer Homöotherapie der Migräne, besonders mit Cimicifuga verliefen überaus erfolgreich. Ja, mit den Jahre nahm die Erfolgsquote immer mehr zu! Die Patientinnen waren überaus dankbar, bereits sogar vor dem Empfang des Rezeptes, weil sie meist 30 Minuten lang von einem Assistenten voruntersucht worden waren, was ihnen bei anderen (meist Kassen-) Ärzten noch nie passiert war. Einigemale wollte ich sehen, wieviel Tabletten sie noch in ihrem Arzneifläschchen hatten. Ca. 12 mal bekam ich nicht Cimicifuga, sondern Cinnabaris D3 vorgewiesen. Und sie waren trotzdem “geheilt”!!

Nun, ein Danebengreifen beim Hervorholen eines Arzneifläschchen ist mir selbst in Stuttgart zweimal passiert, ausserdem auch in der eigenen Bibliothek so dass man dann, wenn man am Schreibtisch sass und das Buch aufschlug, feststellen musste, dass man das danebenstehende gegriffen hat. Immerhin war es doch auffallend, dass die Patientinnen auch mit dem falschen Mittel auf Dauer – wie sich später feststellen liess – geheilt wurden.

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Versuche mit Cimicifuga, bei denen die Hälfte der Patienten Placebo bekommen sollten, um so den Unterschied zwischen der rein psychisch ausgelösten Placeboheilung und einer unter dem Medikament ausgelösten Heilung festzustellen, scheiterte an dem Einspruch Bastaniers, der darauf hinwies, dass wir in dem Apothekerhause mietfrei wohnen unter der Bedingung, dass unsere Kranken ihre Rezepte zu einem grossen Teil von der Apotheke beziehen. Ausserdem hatten wir selbst kein Dispensierrecht u.v.a.m. So kam es nicht mehr dazu, zumal da dann der Krieg weitere Forschungen unterband. Auffallend war, dass in meiner Privatpraxis bei Patientinnen, die besonders zu mir als dem “Wunderheiler” gewiesen wurden, die hohe Heilquote unter Cimicifuga weiter anhielt, während in der Lazaretten bei Schwestern, Reinemachefrauen und den Gattinen der Sanitäter ein Erfolg unter Cimicifuga ausblieb. Sie waren eben keine Frauen, die von meiner Medikation Wunder erwarteten, z.T. vielleicht auch der Homöopathie gegenüber etwas reserviert waren. Ähnlich war es auch später nach dem Kriege, als ich für die in Wannsee wohnenden Flüchtlinge eben ein xbeliebiger Krankenhausarzt war und nicht der “grosse Homöopath”, der ich vor dem Kriege für viele war.

Ich muss es deshalb für ziemlich wahrscheinlich halten, dass meine Migräneheilungen eben psychische Heilungen waren, zumal da andere Kollegen mit der C30, der C200 oder gar mit einer einzigen Gabe von Cimicifuga C1000 – das oft aus ganz anderen Symptomenindikationen heraus gewählt worden war – eben auch Heilungen gesehen haben. Es kommt möglicherweise – wie auch Herr Rabe betonte – gar nicht so darauf an, was man gibt, wie man es gibt, ob sehr hoch oder wie Villechauvaix, der Cimicifuga in Tinkturen gab, und auf Grund welcher Symptomenwahl man das Mittel ausgesucht hat… Man hat eben Erfolg, wenn man eine gläubige Klientel hat. Ich würde deshalb heute das Migränekapitel in meinen Vorlesungen ganz streichen, wie auch vieles andere mehr auf Grund meiner Erfahrungen in den letzten 25 Jahren. Hinsichtlich einer Überprüfung der homöopathischen Migränebehandlung unter all den Kautelen, die eine vergleichende Untersuchung eben erfordert, bin ich hinsichtlich eines positiven Ergebnisses eben doch skeptisch geworden. Ich habe seinerzeit den meine “Erfolge” bestaunenden Beauftragten des Reichsgesundheitsamtes eine Migräneüberprüfung vorgeschlagen, mich aber nach dem Kriege davon – wie auch von vielen anderen Vorschlägen – wieder erheblich distanziert….. Aber ich will nicht zuweit mit meinen Ausführungen gehen. Eigentlich schade, dass man damals nicht gleichzeitig mit Rabe in Berlin auch in Leipzig mit Schoeler, Lendle und einem Internisten begonnen hat. Sie wären dann sicher viel besser mit den Realitäten, mit denen sie dann vertraut gemacht worden wären, und mit dem, inwiefern sie mit den üblichen Vorstellungen nicht übereinstimmen, bekannt geworden, als Sie dies nun nur sozusagen aus der Ferne als Nichtbeteiligter erkennen können.

Was Sie nun eigentlich mit Ihren Zitaten aus meinen Vorlesungen bezwecken wollen, ist mir unverständlich. Sie schreiben, dass sie nach der Zeit, auf

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die meine Erörterungen über die Überprüfung Bezug nehmen, gehalten wurden. Sie vergessen dabei, dass nach Kriegsbeginn und den dadurch auf mich, der ich nach einer schweren Ulkusblutung noch nicht ganz genesen war, einstürmenden beruflichen und militärischen Verpflichtungen, einfach kein Zeit bestand, eingehend an Hand des Fiaskos – das ich damals nur für ein Rabe’sches hielt – meine von früheren Vorlesungen her bestehenden Notizen so umzuarbeiten, wie es heute erforderlich wäre. Ich habe auch Haug 1958, als er wegen eines Nachdruckes der inzwischen vergriffenen Auflage sprach, gesagt, dass man alles sorgfältig überarbeiten müsse, was mir zeitlich erst nach meiner Emeritierung möglich wäre. Er hat dann die alte Lesart wieder gedruckt, schrieb zweite Auflage und nicht unveränderter Nachdruck, lies das ursprüngliche Datum weg und brachte gegen meinen ausdrücklichen Wunsch auch noch “Ärztl. Direktor des Behring Krankenhauses” mit in die Titulatur. Da ja vieles durch die Zeitumstände zwischen 1939 und 1959 überholt ist, das hat dann Heilmeyer zu seinem Briefwechsel mit mir geführt, So sind die Bierschen Silberplattenversuche nur an ganz wenigen – ich glaube an 2 oder 3 Patienten – vor 40 Jahren durchgeführt worden und seither noch nie wiederholt worden. Auch die Schimertschen Versuche sind 30 Jahre alt und noch nie wiederholt worden. Kann man sie heute noch unter diesen Umständen als so stichhaltig ansehen, wie man es damals – 1939 – tat? Vielleicht macht sie die wissenschaftliche Abteilung von Schwabe mal wieder nach, dessen Leiter ich dies vor etwa 4 Jahren vorgeschlagen habe. Aber – falls sich die Schimertschen Versuche nicht bestätigen sollten – kann man dies dann auch in homöopathischen Schrifttume veröffentlichen??? Inzwischen kam ich zufälligerweise dazu, eine Flasche Sulfur jodatum D3 und eine mit der D6 im Hause zu haben. Eine auf meinem Schreibtische und eine im Schlafzimmer. Es fiel mir nun auf, dass die D3 ganz anders schmeckt als die D6….. womit die von Bier gebrachte Beweiskraft des Joachimogluschen Versuches auch im Eimer ist.

Und so ist es mit vielem anderen mehr. Ich habe viele Agranulocytosen auch ohne Medikamente in den ersten Nachkriegsmonaten ausheilen sehen. Ich habe während des Krieges vergleichende Untersuchungen bei akuter Polyarthritis an einen grösseren Krankengute machen können und auch – als wir keine Medikamente hatten, einige ohne jede Medikation ausheilen sehen, so dass ich geneigt bin, hier dasselbe anzunehmen wie bei meinen vergleichenden Untersuchungen am Behringkrankenhause an Infektionskranken, wo – genau so wie bei Chadwell, Wesselhoeft und Benno Schilsky eben kein Unterschied zwischen den Placebo und den Medikanentengruppen bei Scharlach, Keuchhusten und Typhus-Paratyphus (vor der Chloramphenikolära) auftrat. Hier dürften die homöopathischen Kollegen draussen in der freien Praxis eben den schicksalmässigen Krankheitsablauf als einen “Glanzerfolg” der Homöopathie gebucht haben. Ich habe diese meine Beobachtungen nicht veröffentlicht, da uns damals die zu einer allen Anforderungen einer wissenschaftlichen Beweisführung Genüge tuenden Bearbeitung der Beobachtungen eben das ärztliche, pflegerische und Schreibpersonal fehlten. Auf jeden Fall ist aber kein irgendwie eindeutiger

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Befund zu Gunsten einer homöopathischen Therapie aufgetreten. Es sind also im Rahmen des möglichen durchaus in der Nachkriegszeit vergleichende therapeutische Untersuchungen von mir gemacht worden. Ich sage hier des Möglichen! Denn wenn immer 20 Prozent der Schwestern überhaupt nicht da sind, von den 80% einige oft längere Zeit krank sind oder im Urlaub, dann ist es schon eine Heidenarbeit, die meist allerschwerst Kranken einigermassen ausreichend zu versorgen. Und mit den Ärzten war es ähnlich. Immer ein bis zwei Rückkehrer aus Kriegsgefangenschaft, die das während des Studiums gelernte in 8 Jahren Russland so vollkommen vergessen hatten, dass man ihnen am liebsten geraten hätte, nochmals mit dem Studium zu beginnen. Nun schreiben Sie von mir: “Wenn schon negative Analyse, wenn schon Kritik an den Anderen, warum dann kein eigenes Anpacken und Bessermachen? Donner hätte doch als langjähriger Kliniker beste Gelegenheit gehabt, forschende und vergleichende Arzneimittelprüfungen und therapeutische Beobachtungen in all den zurückliegenden Jahren vorzunehmen?” Nun, hier macht es sich doch sehr bemerkbar, wie fremd Sie eigentlich den Situationen in den Grosskrankenhäusern – zumal in Berlin – gegenüberstehen. Hätten Sie Gelegenheit gehabt, kurze Zeit, also etwa 10 Jahre als Oberarzt in der Nachkriegszeit an einem grösseren Krankenhause zu arbeiten, dann hätten Sie so etwas nie schreiben können. Sie haben auch anscheinend vollkommen vergessen, dass Sie selbst mir einst attestiert haben, dass heute eine Schwerkrankenklinik kein Gebiet für Homöotherapie mehr darstellt. Aber vielleicht würden Sie, wenn Sie mir jetzt gegenübersitzen würden, mir lächelnd zugeben, dass Sie mit mir vollkommen einig gehen, dass Sie aber als Schriftleiter jemanden, der die Wahrheit bekannt gibt, eben “schneidig attackieren müssen” um zu verhindern, dass der eine oder der andere der Leser die Zeitung abbestellt. Martini wurde heftig attackiert, Ferdinand Hoff, der doch genau dasselbe bei seinen Arzneiprüfungen wie Martini herausbrachte, nämlich nichts, wurde sehr zart behandelt. Nun, vielleicht wird doch noch etwas aus Überprüfungen mit Heilmeyer, dem Pharmakologen Druckrey und dem Homöopathen Schoeler… dann werden wir sehen, wie Sie es “besser machen als Rabe”. Ist Ihnen eigentlich bekannt, dass Stiegele nach 30-jähriger Chefarzttätigkeit der Firma Robert Bosch auf deren Anfrage, er müsste doch in den 30 Jahren seiner Tätigkeit auch einige Fälle gehabt haben, bei denen er einwandfreie Arzneiwirkungen habe feststellen können, antwortete: “Er habe zwei Fälle erlebt, bei denen die Arzneiwirkung eines homöopathischen Mittels beweiskräftig ausgefallen wäre. Er könne diese beiden Fälle aber nicht veröffentlichen, da die Assistenten nicht ausreichend zuverlässig die Krankengeschichte geschrieben hätten.” Nun hatte das alte homöopathische Krankenhaus, an dem er von 1921 bis 1942 tätig war, 70 Betten, zwei Chefärzte, einen Oberarzt, 3 Ässistenzärzte, meist auch 3 bis 4 Volontäre, also auf 7 Kranke einen Arzt!!! (ich hatte bei meist über 300 Betten auf 40 Betten einen Arzt!!!, dies Herrn Schoeler zur besonderen Kenntnisnahme).

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Ausserdem hatte das alte homöopathische Krankenhaus eine Poliklinik, die zu meiner Zeit wöchentlich ca. 70 Konsultationen gab, also in 50 Wochen (einem Jahr) ca. 3500 Konsultationen, bei denen fast in jedem Falle eine neue Verordnung eines homöopathischen Medikamentes erfolgte, demnach in 30 Jahren ca. 100.000 Verordnungen. Und von diesen 100.000 Verordnungen sowie bei jährlich ca. 700 Patienten, also 21. 000 in 30 Jahren konnte eine so erfahrene und allgemein anerkannte homöopathische Kapazität nur in 2 Fällen einen wohl als wirklich beweiskräftig zu bezeichnenden Arzneimittelerfolg erzielt haben……

Leider war Rabe schon tot, als mir die Akten der Krankenhausgesellschaft in die Hände gespielt wurden. Sonst hätte er mit Begeisterung daraus Wasser auf die Mühlen seiner Theorie geleitet, dass die Homöopathie nichts weiter ist als eine larvierte Psychotherapie. Man fragt sich natürlich, wenn auch nur theoretisch, ob H. Schoeler es besser gemacht hätte, wenn er nach dem Kriege statt Saller und Leeser an das Robert Bosch Krankenhaus gekommen wäre; ob er also in den dann inzwischen vergangenen 15 Jahren mehr als die 2 Fälle, die Stiegele in 30 Jahren erzielen konnte, für eine einwandfreie Beweisführung einer tatsächlichen medikamentösen Wirkung homöopathischer Mittel aufführen könnte.

Die eben erwähnten Dinge um A. Stiegele möchte ich als vertraulich bezeichnen. Ich habe zwar keine Sorge, dass Sie das in der A.H.Z. bringen, denn die wirkliche Situation der Homöopathie, der homöopathischen Arzneimittellehre, der homöopathischen Prüfungen und dergleichen kann man bekanntlich – ich spreche hier auf Grund einer 40-jährigen Erfahrung – eben nicht in homöopathischen Zeitschriften bringen, aus Gründen, die Sie möglicherweise besser kennen als ich.

Ich glaube, es wäre doch vorteilhaft – sowohl für Sie persönlich wie auch für die Homöopathie – wenn Sie sich mehr von Ihren Illusionen befreien könnten. Es ist dies natürlich sehr schwer. Schliesslich habe ich, der ich doch sozusagen am ersten Tage meiner Tätigkeit am Stuttgarter Krankenhause erheblich “ernüchtert” wurde, doch lange, also etwa 20 Jahre – von 1927 bis 1940 – gebraucht, um mich von den meisten Illusionen zu befreien. Vivat sequens!

In diesem Sinne
mit besten Grüssen
in alter Verbundenheit

Ihr

Fritz Donner

 

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Fritz Donner

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